Das Sozialgericht München hatte sich kürzlich mit der Frage zu beschäftigen, ob ein durch eine sog. „Legal-Tech-Kanzlei“ eingereichter Widerspruch gegen einen sozialrechtlichen Bewilligungsbescheid eine Original-Unterschrift bedarf.
Fundstelle
Urteil vom 28.6.2019, Az. S 46 AS 1966/18
Sachverhalt
Eine auf die Prüfung von Hartz IV-Bescheiden spezialisierte „Legal-Tech-Kanzlei“ hat für die Klägerin auf einen erhaltenen Bewilligungsbescheid Widerspruch eingelegt. Ausweislich des Internetauftritts der Kanzlei sind hier 7 Berufsträger tätig, die nach eigenen Angaben mehr als 40.000 Mandate jährlich abwickeln. Der Widerspruch trug eine von einem Rechtsanwalt der Kanzlei eingescannte Unterschrift. Der Widerspruch wurde als unzulässig verworfen, da der Absender nicht identifizierbar sei. Es sei nicht gewährleistet, dass ein Rechtsanwalt das Schreiben je zur Kenntnis genommen habe und das Schreiben mit seinem Willen in den Rechtsverkehr gebracht worden sei.
Die hiergegen eingereichte Klage hat die Klägerin explizit auf die Aufhebung des Widerspruchsbescheids gerichtet; die materiell-rechtliche Begründetheit sollte nach dem Sachvortrag der Klägerin nicht geprüft werden.
Entscheidung des Gerichts
Das SG München weist die Klage als unzulässig ab. Für die Klage allein gegen den Widerspruchsbescheid und die Frage, ob eine eingescannte Unterschrift des Schriftformerfordernis nach § 84 I 1 SGG erfüllt, besteht keine Rechsschutzbedürfnis. Vielmehr sei das sozialgerichtliche Verfahren von dem Grundgedanken geprägt, dass der Kläger direkt die ihn zum eigentlichen Ziel führende Klage erheben müsse, um eine unnötige zweite Klage zu vermeiden.
Im Rahmen der Entscheidung fand das Gericht als obiter dictum zudem deutliche Worte, was die Qualität der anwaltlichen Leistungserbringung anbetrifft:
Nach h.M. genüge ein schriftlicher Widerspruch ohne Unterschrift, wenn durch das Schreiben allein oder in Verbindung mit Anlagen sichergestellt ist, dass die Erklärung vom Widerspruchsführer stammt und nichts dafür spricht, dass sie ohne dessen Willen in den Verkehr gelangt ist. Daran bestünden im vorliegenden Fall aber erhebliche Bedenken, da die Widerspruchsbegründung offensichtlich eine Sammlung von Textbausteinen ohne Bezug zum strittigen Fall sei. Angesichts der verfehlten Widerspruchsbegründung sei zu bezweifeln, dass ein Rechtsanwalt tatsächlich mit dem Widerspruch zu tun hatte.
Praxishinweis
Legal-Tech-Software ist für Kanzleien insoweit attraktiv, als dass binnen kürzester Zeit rechtliche Dokumente aus vorgefertigten Textbausteinsammlungen generiert werden können. Hier darf allerdings nicht vergessen werden, dass trotz Automatisierung stets hinreichend auf den Sachverhalt einzugehen ist. Anderenfalls droht die Gefahr, dass eine Klage oder eine Berufung als unzulässig abgewiesen wird (bsph so auch BGH, Beschluss vom 21.7.2020, Az. VI ZB 68/19).