Nach der Lexfox-Entscheidung des BGH im Jahr 2019, bei dem es um die Zulässigkeit der Durchsetzung eines Einzelanspruchs auf Grundlage der Inkassolizenz ging, hat sich der BGH mit Urteil vom heutigen Tage zur Zulässigkeit vom sog. Sammelklagen-Inkasso positioniert. Dieses ist dadurch gekennzeichnet, dass Forderungen verschiedener Inkassozedenten in einer Klage geltend gemacht werden.

II. Zivilsenat: Inkasso-Sammelklage zulässig

Anders als bei der BGH-Entscheidung war in der heutigen Entscheidung der II. Zivilsenat des BGH zuständig.

Was war passiert?

Eine nach § 10 I 1 Nr. 1 RDG registrierte Inkassodienstleistern hat sich Flugpreis-Rückzahlungsansprüche gegen die involvierte Air Berlin PLC & Co. Luftverkehrs KG verschiedener Zedenten abtreten lassen und im Nachgang gesammelt im Wege eines Schadensersatzanspruchs gegen den ehemaligen Air Berlin-Geschäftsleiter geltend geltend gemacht. Den Rechtsuchenden entstand hierbei – wie bei Legal-Tech-Geschäftsmodellen üblich – kein finanzielles Durchsetzungsrisiko; der Rechtsdienstleister wird im Erfolgsfall mit 35% an den Nettoerlösen aus dem Forderungseinzug beteiligt.

Das Landgericht Berlin sowie das Kammergericht haben die Klage, mit der Ansprüche von sieben Zedenten geltend gemacht werden, jeweils abgewiesen.

 

Die Entscheidung des BGH

Nach Ansicht des II. Zivilsenats des BGH werden vom Inkassobegriff auch Geschäftsmodelle muterfasst, die ausschließlich oder vorrangig auf eine gerichtliche Forderungseinziehung abzielen. Dies gilt auch für die gebündelte gerichtliche Geltendmachung mehrerer Forderungen und selbst, wenn eine Vielzahl von Einzelforderungen gebündelt werden.

Nach der Entscheidung des BGH liegt mangels Interessenkonflikt auch kein Verstoß gegen § 4 RDG vor, sodass die Abtretung der Schadensersatzforderung in der Folge wirksam war.

Insoweit hob der BGH die Berufungsentscheidung auf und verwies die Sache für weitere Feststellungen, ob die geltend gemachten Ansprüche wegen Insolvenzverschleppung bestehen, zurück.

 

Feuer frei für Sammelinkasso-Klagen?!

Auf den ersten Blick dürfte die Entscheidungen auch den Versuchen gebündelter Anspruchsdurchsetzung im Bereich von Abgasskandal und Kartellschadensersatzansprüchen in die Karten spielen. Gleichwohl bleibt festzuhalten, dass bislang lediglich eine Pressemitteilung vorliegt und noch keine Urteilsgründe.

Spannend dürfte insbesondere sein, wie der BGH das Nichtbestehen eines Interessenkonflikts im konkreten Fall begründet. Hierbei könnte es sich der vorliegende Fall durchaus von Situationen im Abgasskandal oder Kartellrecht unterscheiden, wo die Heterogenität der geltend gemachten Forderungen größer sein dürfte.

Das Sozialgericht München hatte sich kürzlich mit der Frage zu beschäftigen, ob ein durch eine sog. „Legal-Tech-Kanzlei“ eingereichter Widerspruch gegen einen sozialrechtlichen Bewilligungsbescheid eine Original-Unterschrift bedarf.
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Rechtsdurchsetzende nichtanwaltliche Dienstleister, die sich mit ihrem Geschäftsmodell auf die gebündelte Durchsetzung zedentenverschiedener abgetretener Forderungen spezialisiert haben, haben es schwer vor den deutschen Gerichten. Dies zeigt nicht nur die Entscheidung des LG München I zum LKW-Kartell, sondern auch die jüngste Entscheidung des LG Ingolstadt im Verfahren der financialright GmbH (MyRight) gegen Audi und Volkswagen.

Wie heute bekannt wurde, hat das LG Ingolstadt eine Klage von MyRight, mit der Ansprüche aus abgetretenem Recht von mehr als 2.800 Zedenten (Klagesumme mehr als 77 Millionen Euro) gesammelt durchgesetzt werden sollten, abgewiesen.

Dazu nachstehend die Pressemitteilung vom LG Ingolstadt:

Mit Urteil vom 07.08.2020 hat die 4. Zivilkammer des Landgerichts Ingolstadt die Klage nun abgewiesen.
Im Wesentlichen ging die Kammer davon aus, dass zwar im Lichte der Entscheidung des Bundesgerichtshofs in der sog. „Lexfox-Entscheidung“ vom 27.11.2019 – VIII ZR 285/18 – die klageweise Geltendmachung von abgetretenen Ansprüchen durch Rechtsdienstleister wie der Klägerin grundsätzlich zulässig sei. Abweichend zu dieser Entscheidung seien aber im vorliegenden Fall bereits die einzelnen Abtretungsvereinbarungen nichtig, da sie aufgrund einer die Käufer benachteiligenden Regelung nicht mehr von der Inkassodienstleistungsbefugnis der Klägerin nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz gedeckt seien. Dies beruhe vor allem auf der vertraglichen Regelung der Klägerin, nach der im Falle eines Vergleichswiderrufs eines Käufers dessen gesamte Rechtsverfolgung für diesen nicht mehr kostenfrei sei. Hieraus resultiere sowohl ein unzulässiger wirtschaftlicher Druck für den jeweiligen Käufer als auch ein Interessenskonflikt zwischen dem Käufer und der Klägerin. Hierin liege eine unzumutbare Benachteiligung des Käufers, die zur Nichtigkeit der Abtretungsvereinbarung führe. Ohne wirksame Abtretung könne die Klägerin aber die Ansprüche der Käufer nicht selbst geltend machen, so dass die Klage abzuweisen gewesen sei.

Quelle: https://www.justiz.bayern.de/gerichte-und-behoerden/landgericht/ingolstadt/presse/2020/10.php